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Krieg gegen die Ukraine: Das ist in der Nacht passiert

Auf der Flucht vor den russische Truppen: Dieser Bus bringt ukrainische Flüchtende aus Lwiw an die polnische Grenze. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa
Auf der Flucht vor den russische Truppen: Dieser Bus bringt ukrainische Flüchtende aus Lwiw an die polnische Grenze. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

Die Appelle der Regierung in Kiew klingen verzweifelt. Wie ist dieser Krieg zu beenden? Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Kiew (dpa) – Nach zwei Wochen Krieg in der Ukraine scheint zumindest einer von fünf vereinbarten Fluchtkorridoren zu funktionieren. Rund 6700 Menschen hätten sich aus der Großstadt Sumy gerettet, erklärte die ukrainische Regierung in der Nacht.

Für andere Städte soll nach russischen Angaben am Morgen ab 08.00 Uhr ein neuer Versuch für Fluchtkorridore starten. Doch zugleich setzt Russland seine Angriffe auf ukrainische Städte fort. Der Westen versucht, Moskau mit wirtschaftlichem Druck zum Einlenken zu bringen. Ob Kampfjets aus Polen an die Ukraine gehen, ist offen.

Das Kriegsgeschehen

Auch in der Nacht zum Mittwoch meldeten ukrainische Behörden Tote – darunter auch Kinder – und viele Verletzte bei russischen Luftangriffen unter anderem in den Regionen Schytomyr und Charkiw. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.

Die Kriegsgegner ringen seit Tagen darum, Zivilisten aus den von Russland belagerten Städten fliehen zu lassen. Für die umkämpfte südukrainische Stadt Mariupol ist aber bisher kein Fluchtkorridor gelungen. Dort warten nach Angaben des Roten Kreuzes 200.000 Menschen bei katastrophalen Bedingungen darauf, aus der Stadt zu kommen. Auch Hilfslieferungen in die Hafenstadt seien gescheitert, sagte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk der Agentur Unian.

Aus Sumy hingegen flohen nach Wereschtschuks Angaben am Dienstag rund 5000 Ukrainer und etwa 1700 ausländische Studenten an einen sichereren Ort. Die Stadt, die etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt, hat allerdings rund 270.000 Einwohner.

Die Fluchtrouten führen nach ukrainischen Angaben nach Poltawa, nach Lwiw (Lemberg) oder in benachbarte EU-Länder. Inzwischen sind nach UN-Angaben mehr als zwei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. In Deutschland wurden bis Dienstag rund 64 600 Kriegsflüchtlinge registriert, doch dürften Einschätzung der Behörden schon viel mehr Ukrainer hierher gekommen sein. Der Deutsche Städtetag fordert zur Koordinierung einen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, wie Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Funke Mediengruppe sagte.

Kann die Ukraine mit Russland verhandeln? 

Der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj richtet immer neue Appelle an den Westen, seinem Land zu helfen. „Der Krieg muss enden“, sagte Selenskyj in einer am Dienstagabend veröffentlichten Videobotschaft. „Wir müssen uns an den Verhandlungstisch setzen.“ Nach Angaben seines außenpolitischen Beraters Ihor Showkwa schließt die Ukraine nicht aus, in Verhandlungen mit Russland auch über eine mögliche Neutralität des Landes zu sprechen. Der Berater forderte in den ARD-„Tagesthemen“ ein direktes Gespräch Selenskyjs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Showkwa forderte Deutschland „als Wirtschaftsmotor der EU“ zu weiteren Sanktionen auf. Sein Land bitte um ein Embargo russischen Gases und Öls. Zudem sollten Waren beschlagnahmt werden, die Russen gehören. Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba drängte in der Nacht zu Mittwoch bei Facebook: „Jede Sanktion, jedes Unternehmen, das Russland verlässt, ist eine Annäherung an den Sieg.“

Selenskyjs Frau Olena Selenska erneuerte in einem offenen Brief den Appell an den Westen, eine Flugverbotszone über der Ukraine durchzusetzen. Das hat nicht nur die Bundesregierung ausgeschlossen, weil sonst die Nato mit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Doch wird nun ernsthaft diskutiert, MiG-Kampfflugzeuge aus Polen an die Ukraine zu liefern. Unklar ist nur wie, weil auch hier eine Verwicklung ins Kampfgeschehen befürchtet wird.

Streit um polnische Kampfflugzeuge

Polen hatte vorgeschlagen, die Flieger den USA zu überlassen – wohl, um sie mit einem Zwischenstopp auf dem Stützpunkt Ramstein in Deutschland irgendwie in die Ukraine zu bringen. Das wiederum hält die US-Regierung für nicht machbar. Der polnische Vorschlag bringe „schwierige logistische Herausforderungen“ mit sich, zudem gebe es angesichts der geopolitischen Dimension „ernsthafte Bedenken“, erklärte der Sprecher des Pentagons, John Kirby.

Die Entscheidung, der Ukraine polnische Kampfflugzeuge zu überlassen, sei letztlich eine Sache der polnischen Regierung. Die Vorstellung, dass Kampfflugzeuge, die dem US-Militär übergeben worden seien, im Krieg mit Russland von einem US- beziehungsweise Nato-Stützpunkt in Deutschland in den umkämpften ukrainischen Luftraum flögen, werfe „ernsthafte Bedenken für das gesamte Nato-Bündnis auf“, erklärte Kirby weiter. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte sich wegen ähnlicher Bedenken am Dienstag zurückhaltend zu den Überlegungen geäußert.

Russische Wirtschaft wankt

Da militärische Hilfe heikel ist, setzt der Westen vor allem auf wirtschaftlichen Druck. Die Bundesregierung sieht zwar bisher keine Möglichkeit, auf russische Energieimporte zu verzichten. Die USA hatten aber am Dienstag ein Importverbot für russisches Öl erlassen und Großbritannien eines avisiert. Mit Coca-Cola, Pepsico und Starbucks kündigten weitere Weltkonzerne Einschränkungen ihres Russland-Geschäfts an.

Die russische Wirtschaft scheint wegen der zahlreichen Sanktionen inzwischen auch schwer angeschlagen. Die russische Zentralbank verhängte drastische Einschränkungen für den Devisenhandel. So werden russische Banken kein ausländisches Bargeld mehr an Bürger verkaufen können, wie die Zentralbank mitteilte. Die Ratingagentur Fitch stufte Russlands Kreditwürdigkeit erneut herunter – auf Ramschniveau. Die Ratingnote bedeute, dass ein Zahlungsausfall unmittelbar bevorstehen dürfte, teilte Fitch mit.

Das wird heute wichtig

Nach russischen Angaben soll ab 08.00 Uhr eine Feuerpause gelten, um weitere Fluchtmöglichkeiten zu eröffnen. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Und der Innenausschuss des Bundestags befasst sich mit den Folgen des Krieges.

© dpa-infocom, dpa:220309-99-443308/3


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