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Kirill Serebrennikow: Schuldspruch für russischen Starregisseur

Kirill Serebrennikow ist schuldig gesprochen worden. Foto: Uncredited/AP/dpa
Kirill Serebrennikow ist schuldig gesprochen worden. Foto: Uncredited/AP/dpa

Der Fall Kirill Serebrennikow beschäftigt die russische Justiz und auch die internationale Kunstwelt schon seit rund drei Jahren. Dem international gefeierten Regisseur wurde Veruntreuung vorgeworfen. Nun fiel das Urteil.

Ein russisches Gericht hat den Starregisseur Kirill Serebrennikow in einem umstrittenen Verfahren schuldig gesprochen. Das Strafmaß war zunächst unklar.

Der 50-Jährige wurde wegen Veruntreuung von Fördergeldern verurteilt, wie das Bezirksgericht am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau entschied. Das Verfahren gegen den auch in Deutschland bekannten Künstler gilt als Schauprozess gegen die liberale Kunstszene in dem zu den Atommächten gehörendem Russland.

Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft beantragt. Zahlreiche russische Künstler veröffentlichten im Vorfeld der Urteilsverkündung Videos, in denen sie ein ungerechtes Justizsystem beklagten. Viele Schauspieler, Sänger und Kulturschaffende erschienen am Freitag vor dem Gerichtsgebäude in Moskau. Sie empfingen Serebrennikow mit Beifall. Viele trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Free Kirill!“, insgesamt seien etwa 400 Menschen dort, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

In einer Videoschalte des Senders Echo Moskwy, der über die Urteilsverkündung live im Internet berichtete, sagte der wegen der schwierigen Lage für die Kultur in Russland ausgewanderte Kunstexperte Marat Gelman, dass sich Kirill Serebrennikow Feinde im Kreml gemacht habe. Serebrennikow habe sich aber niemals bereichert, betonte er. Der Theatermacher soll 129 Millionen Rubel (1,6 Millionen Euro) unterschlagen haben.

Kirill Serebrennikow beteuert Unschuld

Der Starregisseur übt in seinen Filmen und Theateraufführungen immer wieder auch Gesellschaftskritik. Kirill Serebrennikow hatte in seinem Schlusswort am Montag seine Unschuld beteuert und hervorgehoben, dass in dem Verfahren keine Beweise vorgelegt worden seien.

Zugleich räumte er ein, dass die Buchhaltung seines Theaters schrecklich organisiert gewesen sei. Er verstehe aber nichts von Buchhaltung und Finanzen, sagte er. Deshalb gebe es Experten dafür. Eine Buchhalterin hatte Serebrennikow belastet. Ihr Fall wird in einem getrennten Verfahren behandelt.

Mit Kirill Serebrennikow standen auch seine Kollegen Sofja Apfelbaum und Alexej Malobrodski sowie Juri Itin vor Gericht. Die Ermittlungen gegen das Team liefen seit Sommer 2017. Im vergangenen Jahr kam Russlands bekanntester Filme- und Theatermacher nach mehr als anderthalb Jahren im Hausarrest mit Einschränkungen auf freien Fuß.

Stars setzen sich für Regisseur ein

Auch Kanzlerin Angela Merkel sowie internationale Stars hatten sich für den Filme- und Theatermacher eingesetzt. Serebrennikow leitet in Moskau das populäre Theater Gogol-Zentrum. Er inszenierte aber auch in Berlin, Stuttgart und Hamburg – oft in Abwesenheit, weil er im Hausarrest saß und auch nach seiner Freilassung nicht reisen durfte. Tausende Kulturschaffende in Russland haben einen Unterstützerbrief für Serebrennikow unterzeichnet.

Deutsche Theaterschaffende haben sich mit dem schuldig gesprochenen Serebrennikow solidarisch gezeigt. Sie forderten bei einer Demonstration vor der russischen Botschaft in Berlin seine Freilassung. Wie die Dramaturgin Birgit Lengers schilderte, wurde vergeblich versucht, dem Botschafter eine Unterstützerliste mit 56.000 Unterschriften zu überreichen.

Bei dem Protest seien schätzungsweise 120 Menschen gewesen, so Lengers, die den internationalen Bereich des Deutschen Theaters Berlin leitet. Unter den Teilnehmern waren demnach neben Schauspieler Lars Eidinger weitere Theaterschaffende wie Ulrich Khuon, Thomas Ostermeier und Jossi Wieler. Zur Stimmung unter den russischen Kollegen Kirill Serebrennikow sagte Lengers: „Alle haben Angst». Es sei ein schwarzer Tag.

© dpa-infocom, dpa:200626-99-572660/5

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