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Schalke zerrissen und ohne Hoffnungsträger Rangnick

Die Absage an den FC Schalke 04 ist unumstößlich: Ralf Rangnick. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Die Absage an den FC Schalke 04 ist unumstößlich: Ralf Rangnick. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Die plötzliche Absage von Ralf Rangnick zusammen mit schweren Vorwürfen aus seinem Umfeld treffen den wahrscheinlichen Absteiger Schalke 04 tief. Der Tabellenletzte präsentiert sich gespalten. Wie es weiter geht, ist einmal mehr unklar.

Gelsenkirchen (dpa) – Die Spieler überfordert, der Club zerstritten: Die Absage von Hoffnungsträger Ralf Rangnick stürzt den Tabellenletzten FC Schalke 04 noch tiefer in die Sinnkrise. Der fast sichere Weg in die 2. Liga wird begleitet von Eitelkeiten, Vorwürfen und Indiskretionen.

„Wir würden da in einen Krieg hineingezogen“, wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Rangnicks Umfeld zu den Hintergründen seiner für Schalke folgenschweren Absage mitgeteilt. Der 62 Jahre alte frühere Schalker Trainer sollte eigentlich als Sportvorstand ins Revier zurückkehren. Am vergangenen Donnerstag hatte es dazu ein erstes Verhandlungsgespräch mit der Spitze des Schalker Aufsichtsrates und Rangnicks Berater Marc Kosicke gegeben. Nach Darstellung von Schalkes Aufsichtsratsboss Jens Buchta habe dieses Treffen „in ausgesprochen positiver Atmosphäre“ stattgefunden. Am Montag sollte es ein weiteres Gespräch geben.

Dazu wird es nicht kommen. Wenige Stunden vor dem 0:3 (0:1) Schalkes am Samstagabend gegen Borussia Mönchengladbach sagte Rangnick den Königsblauen plötzlich öffentlich ab. „Leider sehe ich mich aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten innerhalb des Vereins derzeit nicht in der Lage, die sportliche Verantwortung bei S04 zu übernehmen“, teilte Rangnick mit. Kosicke soll Buchta zudem bereits am Samstag davon unterrichtet haben, dass die Absage definitiv sei und es keine weiteren Gespräche geben werde – auch wenn Buchta am Abend erklärte, erneut den Kontakt suchen zu wollen, um „noch einmal alles ausloten“.

Wie die dpa am Sonntag erfuhr, zeigte sich die Rangnick-Seite entsetzt über die Zustände und die Indiskretionen beim sportlich und finanziell schwer angeschlagenen einstigen Branchenriesen. „Es kann nicht sein, dass halb Schalke von den Gesprächen weiß“, hieß es in Bezug auf begleitende Medienberichte der vergangenen Tage, obwohl Kosicke selbst in der vergangenen Woche in einem Sport1-Interview über Rangnicks große Zuneigung zu Schalke berichtet hatte. Dabei hatte sich Kosicke aber selbst noch sehr zurückhaltend zu einem möglichen Engagement Rangnicks in Gelsenkirchen geäußert.

Als Adressat der Vorwürfe war neben dem Aufsichtsrat ausdrücklich auch die Pro-Rangnick-Gruppe gemeint, die sich aus Vertretern aus Wirtschaft und Politik gebildet hatte. Dieser Gruppe gehört unter anderem auch der frühere Schalker Profi Ingo Anderbrügge an. „Es ist totaler Quatsch, dass wir Gegner von Schalke sind“, sagte Medienunternehmer Jörg Grabosch bei Sky. „Wir versuchen alle, dem Verein zu helfen, Strukturen zu finden“, sagte Grabosch weiter. „Ein Gegeneinander macht keinen Sinn, es gibt genug Probleme“. Sticheleien setzte Grabosch dennoch: „Dem Aufsichtsrat war es vorher ja auch nicht möglich, mit Ralf Rangnick Kontakt aufzunehmen, da hat die Gruppe ein bisschen geholfen.“

Nun könnten die gegenseitigen Vorwürfe von Aufsichtsrat und der Pro-Rangnick-Gruppe in eine wenige hilfreiche Schlammschlacht ausarten. Am Sonntag trat in Stefan Gesenhues bereits ein Aufsichtsratsmitglied zurück, das das Kontrollgremium vor knapp zehn Tagen mit dem Vorstoß der offiziell „Tradition und Zukunft“ genannten Gruppe konfrontiert hatte, Rangnick installieren zu wollen. „Ich sehe keine erfolgreiche Zusammenarbeit mehr. Es gibt keine Perspektive mehr, mich so einzubringen, wie ich es gewünscht hätte“, sagte Gesenhues Sport1. Die Bewegung „Tradition und Zukunft“ kündigte derweil an, weiter aktiv zu bleiben. Einige Mitglieder der Gruppe wollen auch am 13. Juni bei den Wahlen zum Kontrollgremium antreten.

Laut Buchta hätte aber schon das öffentliche Auftreten der Gruppe mit der Forderung nach Rangnick Schalke „in keinster Weise geholfen“. Buchta ließ durchblicken, dass Schalke ohne die Aktion womöglich längst einen Nachfolger für den geschassten Jochen Schneider hätte. „Wir hatten zwei Kandidaten in der ganzen engen Auswahl und waren sehr weit“, sagte der 57-Jährige. Diese Gespräche sind nun hinfällig.

Entschieden versuchte Buchta am Samstag, den Eindruck zu verhindern, nun planlos in Richtung 2. Liga zu steuern. „Wir haben uns parallel auch mit Alternativen beschäftigt“, sagte Buchta. „Ich bin überzeugt, dass wir in kurzer Zeit einen Nachfolger als Sportvorstand präsentieren können.“ Bleibt die Frage, wer sich Schalke angesichts der Querelen überhaupt antut. Selbst Buchta hält diese für legitim. „Ich würde mir das vielleicht auch überlegen, diesen Job zur Zeit zu übernehmen“, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:210321-99-909391/3

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