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Rassismus im Fußball: Profi-Vorbilder, Fan-Wandel und die Verbände?

Dortmunds Jadon Sancho (l) trägt ein Trikot mit der Aufschrift «Justice for George Floyd», Der Gladbacher Marcus Thuram kniet auf dem Rasen. Foto: Lars Baron/Getty Images Europe/Pool/dpa;Martin Meissner/AP Pool
Dortmunds Jadon Sancho (l) trägt ein Trikot mit der Aufschrift «Justice for George Floyd», Der Gladbacher Marcus Thuram kniet auf dem Rasen. Foto: Lars Baron/Getty Images Europe/Pool/dpa;Martin Meissner/AP Pool

Rassismus war in den Fankurven lange Zeit ein sichtbarer Teil des deutschen Profi-Fußballs: Mittlerweile gehen Profis, Fanvereinigungen und die Vereinsführungen immer öfter strikt und medienwirksam gegen rechte Botschaften vor – Experten sehen aber nicht nur auf den Rängen sondern insbesondere auch bei den Verbänden Nachholbedarf.

Im Kampf gegen Rassismus gehen einige Fußball-Profis voran, die Fankultur befindet sich im Wandel und die Vereine wehren sich immer öfter gegen rechte Strömungen, insbesondere bei den Verbänden sehen Experten aber auch Nachholbedarf.

Marcus Thuram kniete. Jadon Sancho, Achraf Hakimi und Weston McKennie schickten nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd geschriebene Botschaften um die Welt. Etliche Profis folgten. Der Kampf gegen Rassismus sorgte in der abgelaufenen Saison der Fußball-Bundesliga für starke Bilder und Emotionen – vorbei ist er aber noch lange nicht.

„Das Bild hat sich deutlich gewandelt“, sagte Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS). Verglichen mit den 80er-Jahren habe es deutliche Veränderungen beim Thema Rassismus im Profifußball gegeben. Damals seien rassistische Beleidigungen und Gesänge keine Seltenheit in den Fankurven gewesen. Fans hätten sich offen als Nazis zeigen können. Selbst im Fernsehen seien mitunter rassistische Bemerkungen gefallen, urteilte Gabriel.

Experte sieht Entwicklung

Seitdem hat sich einiges verändert. Zuletzt positionierten sich einige Bundesligisten mit Aktionen in den sozialen Medien gegen Rassismus. Borussia Mönchengladbach veröffentlichte unter anderem zusammen mit dem 1. FC Köln, Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 ein Video gegen die Diskriminierung von Spielern.

Der FSV Mainz 05 machte die Kündigung eines Mitglieds öffentlich, das sich zuvor beklagt hatte: „Ich kann mich mit diesem Verein (Profifußball) schon seit Monaten nicht mehr identifizieren! Mittlerweile bekomme ich den Eindruck vermittelt, dass ich beim Afrika Cup bin, anstatt in der deutschen Bundesliga.“ Der Club erklärte: „Rassismus beginnt da, wo rassistische Gedanken geäußert werden.“

Gabriel sieht dies als einen Baustein einer längerfristigen Entwicklung. Auch die Aufklärungsarbeit der Fanprojekte habe viel bewegt. Wichtig sei es dabei, einen Bezug zum Fußball herzustellen. Schließlich sei es das, was die Menschen in den Fanszenen interessiere. Durch Fragen wie: „Wie hat sich eigentlich unser Verein während der NS-Zeit verhalten?“ habe man einen Weg gefunden, die Fans verstärkt auf das Thema aufmerksam zu machen, berichtete Gabriel.

In der Bundesliga sieht er aktuell Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund als positive Beispiele. Insbesondere der BVB, dessen Fan-Szene stark von rechten Einflüssen geprägt gewesen sei, habe hier einen langen Weg hinter sich.

„Die haben die Dimension des Problems verstanden und dessen Lösung nicht nur auf die vereinseigene Fanarbeit geschoben“, sagte Gabriel. Das Konzept des BVB umfasse alle Bereiche des Vereins, unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit, die Sicherheit oder der Abteilung für gesellschaftliche Verantwortung.

Verbände mit Positionierung aber ohne Vielfalt in Gremien

Auch der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) attestierte Gabriel prinzipiell eine klare Positionierung gegen rechts. Dennoch sehen Experten Verbesserungsbedarf, die Verbände seien im Kampf gegen Rassismus im Fußball nicht nur mit Botschaften gefordert:

„Was fehlt, ist der Blick auf die internen Strukturen“, sagte Daniel Gyamerah, der bei der gemeinnützigen Organisation Citizens For Europe im Bereich „Diversity in Leadership“ arbeitet. „Die Vielfalt, die wir mittlerweile auf dem Platz sehen, spiegelt sich nicht in den Verbänden und Gremien wieder“, kritisierte er.

„Das System der Gremien und Entscheidungsorgane ist auch im Fußball so gestrickt, dass man nur reinkommt, wenn man schon Teil des Systems ist“, erklärte Gyamerah. Die Entscheidungen in den meisten Vereinen würden „von weißen Männern getroffen“, urteilte der Experte.

Die DFL erklärte zu den geplanten Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus im Fußball auf Anfrage: „Gemeinsam mit dem DFB und den betroffenen Vereinen arbeiten wir daher daran, angefeindete Personen oder Gruppen zu schützen und gegenseitigen Respekt für alle Beteiligten auf und neben dem Platz einzufordern.“

Gabriel vermisst innerhalb der Fußball-Verbände eine klare Linie im Kampf gegen Rassismus: Nach den Äußerungen des damaligen Schalke-Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies über Afrika im Sommer 2019, die von vielen Seiten als rassistisch eingestuft wurden, seien die Reaktionen beschwichtigend ausgefallen. Nach den Schmähungen gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp habe es dagegen deutliche Konsequenzen gegeben.

„Hier wird an vielen Stellen schon eine Unglaubwürdigkeit im Handeln erkennbar“, sagte Gabriel. Auch aufgrund der Botschaften der Bundesliga-Profis gab es zunächst Ermittlungen des DFB, die dann aber eingestellt wurden. DOSB-Präsident Alfons Hörmann hatte in der Diskussion betont, dass das Eintreten für die Werte des Sport völlig anders zu bewerten sei, als die Ausnutzung des Sports als Bühne für politische Botschaften.

© dpa-infocom, dpa:200718-99-838177/2

weiterführende Informationen:
➡️ Anti-Rassismus-Konvention
➡️ Studie Deutschlandfunk „Diversität Gremien“

Video gegen Rassismus von vier Bundesliga-Vereinen

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