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Bund will Systemschwächen aufdecken und Lösungen finden

Sportausschuss-Chef Frank Ullrich (SPD). Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
Sportausschuss-Chef Frank Ullrich (SPD). Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Die Debatte um eine effizientere und am Athleten orientierte Sportförderung ist voll im Gange. Der Bund will wissen, was schief läuft und Lösungen dafür, wie die Gelder besser angelegt sind.

Frankfurt/Main (dpa) – Die Reform der Spitzensportförderung ist wie die Quadratur des Kreises. Der Bund will für mehr Geld mehr Medaillen. Die Topsportler klagen über zu wenig finanzielle Unterstützung für sich und den Nachwuchs.

Und der Verein Athleten Deutschland hält die alleinige Fixierung auf Gold, Silber und Bronze für falsch. „Wir müssen den Anspruch haben, dieses Jahrzehnt mit Wumms sportlich zu gestalten“, sagte Frank Ullrich, Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag. Die Frage ist, wie das gelingen kann.

BMI: Defizite und Lösungen finden

Das Bundesinnenministerium pocht bei der laufenden Überprüfung der Reform darauf, Defizite und Lösungen zu finden. „Im Ergebnis des laufenden Arbeitsprozesses zur zukünftigen Spitzensportförderung muss es eine Verständigung über Systemschwächen der bisherigen Spitzensportreform/-förderung sowie Lösungsansätze für die benannten Problemfelder geben“, teilte das für den Sport zuständige BMI auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Diese Aspekte sollen in einem „Grobkonzept“ als Basis für die weitere Umsetzung bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres zusammengefasst werden.

Grund für die Überprüfung der Reform ist, dass trotz der Erhöhung der Bundesmittel für deren Umsetzung seit 2017 von 167 Millionen auf bis zu 369 Millionen Euro (Stand: 2022) bei den Sommerspielen ein konstantes Medaillen-Minus zu verzeichnen ist: Von 82 Medaillen in Barcelona 1992 über 65 in Atlanta 1996 bis zu 37 in Tokio 2021.

Das BMI betont angesichts der Sportlerkritik, dass die Reform die Kaderathleten ins Zentrum der Förderung durch die Bundesregierung gestellt habe. Zudem sei die finanzielle und soziale Absicherung während der sportlichen Karriere deutlich erhöht worden. Dazu gehörten auch der Aufbau einer Altersversorgung für Topathleten sowie weit mehr als 1000 Sportförderstellen. „Insgesamt profitieren Bundeskaderathleten und -athletinnen von einem ausbalancierten Sportfördersystem, das über die finanziellen Aspekte der Sportförderung hinausgeht“, teilte das BMI auf dpa-Anfrage mit.

„Was man sich wünscht? Eine bessere Bezahlung“

„Eine Optimierung der Potenziale gibt es überall. Das muss angesprochen werden. Vielleicht profitieren wir oder nachfolgende Generation davon“, sagte die Hindernis-Vize-Europameisterin Lea Meyer. „Es wäre besser, wenn ich mich ganz auf den Sport konzentrieren könnte. Es geht aber noch schlechter.“ Auch ihr Teamkollege bei den European Championships in München, Bo Kanda Lita Baehre, könnte sich ein besseres Sportlerleben vorstellen. „Was man sich wünscht? Trocken gesagt, eine bessere Bezahlung“, so der EM-Zweite im Stabhochsprung.

„Wir sind in Deutschland keine Profis, müssen aber gegen Profis antreten“, klagte Einer-Ruderer Oliver Zeidler. Der Anspruch der Gesellschaft sei immer, dass möglichst viele Medaillen geholt werden müssten: „Dann muss auch ein entsprechendes Umdenken stattfinden.“

Die Deutsche Sporthilfe hält deshalb eine stärker an den Bedürfnissen der Spitzensportler orientierte Förderung für notwendig. Sie müsse „persönlicher und individueller“ werden“, sagte der Vorstandschef Thomas Berlemann der dpa. „In der zukünftigen Ausgestaltung möchte die Sporthilfe aufgrund unserer langjährigen Erfahrung eine zentrale Rolle einnehmen“, ergänzte er. Die Stiftung wendete 2020 für die Förderung von Nachwuchs- und Topathleten 22,4 Millionen Euro auf.

„Es gibt viele Baustellen“

Kritisch sieht Berlemann, dass die Reform bisher darauf abzielte, vor allem Sportarten mit viel Erfolg und Medaillen zu fördern, den Nachwuchs und Disziplinen mit Potenzial dagegen nicht genug. Es sei zu prüfen, „ob und in welcher Weise eine weitere Fokussierung auf die hoffnungsvollen Nachwuchsathleten gelegt werden sollte“, sagte er. Damit könne man die Besten der Besten mit Blick auf Paris 2024 und perspektivisch für die Olympischen Spiele in Mailand/Cortina d’Ampezzo im Winter 2026 und Los Angeles 2028 vorbereiten.

„Für eine optimale Förderung unserer Nachwuchssportler halte ich eine Überarbeitung des Kadersystems für erforderlich“, betonte auch Ullrich. Das primäre Ziel der Förderung solle nach seiner Ansicht Leistung und Spitzensport sein. „Wie der Begriff schon sagt“, müsse sie sich primär an Leistungen und Spitze orientieren und messen“. Genau dieser Aspekt müsse sich auch im Sportsystem und in der Förderlogik wiederfinden.

„Unabhängig davon bin ich ebenfalls ein Befürworter eines komplexeren Denkens“, sagte er. Eine Grundsatzdebatte zur Aufgabe und Bedeutung des Sports in der Gesellschaft sei deshalb notwendig. Angestoßen hatte die Diskussion über Sinn, Zweck und Ziel des Spitzensports der Verein Athleten Deutschland mit einer großen Analyse. „Es gibt viele Baustellen“, sagte die Doppel-Europameisterin im Sprint, Gina Lückenkemper, die auch beim Thema Sportförderung vorgeprescht war: „Ich glaube, dass noch ganz viel möglich ist.“

© dpa-infocom, dpa:220823-99-491933/5

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