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Formel 1: Bottas siegt in Spielberg, Vettel-Frust bei Neustart

Mercedes-Pilot Valtteri Bottas (v.) setzte sich vom Start weg ab. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
Mercedes-Pilot Valtteri Bottas (v.) setzte sich vom Start weg ab. Foto: Darko Bandic/AP/dpa

Die Ferrari-Abschiedstour von Vettel beginnt frustrierend: Der Deutsche fährt beim Formel-1-Neustart in Spielberg chancenlos hinterher – und patzt auch noch. Es gewinnt mal wieder ein Mercedes-Pilot.

Hinter dem Ferrari-Mundschutz suchte Sebastian Vettel verbittert nach Erklärungen für seinen desaströsen Neustart in die Notsaison Formel 1 in Spielberg. Weit abgehängt hatte sich der 33-Jährige mit einem Fehler in Österreich das Rennen komplett zerstört und war gerade noch als Zehnter von elf Fahrern ins Ziel gerollt.

„Es war irgendwo der Wurm drin“, klagte Vettel – und das war noch eine Untertreibung beim ersten Rennen seiner Abschiedstour von Ferrari. Beim überlegenen Sieg von Mercedes-Pilot Valtteri Bottas im am Ende spektakulären Geister-Grand-Prix in Spielberg glich Vettels Auftritt einem Debakel.

„Ich hatte unheimlich Probleme auf der Strecke zu bleiben. Ich habe das Auto nicht wiedererkannt, es war ganz schwer zu fahren“, sagte der Hesse zum missratenen Beginn seiner Abschiedstour bei Ferrari. Am Saisonende muss Vettel die Scuderia verlassen. Dass seinem peinlichen Dreher ein Kontakt mit seinem Ferrari-Nachfolger Carlos Sainz im McLaren vorangegangen war, machte das Desaster perfekt.

Was trotz des schwachen Autos möglich gewesen wäre, zeigte Teamkollege Charles Leclerc. Der Monegasse trieb den lahmenden Ferrari noch auf Rang zwei. „Für mich eins meiner besten Rennen, seit ich in der Formel 1 bin“, schwärmte Leclerc.

Dabei profitierten der 22-Jährige und der Überraschungs-Dritte Lando Norris im McLaren aber von einer Strafe gegen Titelverteidiger Lewis Hamilton. Der Silberpfeil-Star war nach der zweiten Safety-Car-Phase mit dem anstürmenden Red-Bull-Mann Alexander Albon kollidiert, die Fünf-Sekunden-Sanktion der Rennrichter spülte ihn zurück auf Platz vier.

„Es hat sich angefühlt wie ein Rennunfall. Aber die Strafe muss man akzeptieren, ich schaue nach vorn“, befand Hamilton. Dabei hatte es lange so ausgesehen, als wenn nur die Getriebeprobleme an beiden Mercedes einen Doppelerfolg des Weltmeister-Teams verhindern könnten. Doch durch die vielen Ausfälle wurde es am Ende noch einmal dramatisch. „Ich bin froh, das Auto ins Ziel gebracht zu haben“, sagte Bottas nach dem achten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere.

Feiern durfte der Finne wegen der strengen Hygienerichtlinien beim Neustart der Formel 1 nur vor leeren Tribünen in der Steiermark. Noch größer als bei Bottas war die Begeisterung bei Leclerc und Norris, die kaum jemand für einen Podiumsplatz auf der Rechnung gehabt hatte.

Eigentlich war Red Bull als zweite Kraft erwartet worden, doch der Niederländer Max Verstappen und später auch Albon mussten mit technischen Problemen aufgeben. „Sehr erschütternd“ sei das, urteilte Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko. Dabei hatte sich das Team des Getränke-Giganten bei seinen beiden Heimspielen zum Saisonbeginn erhofft, gleich die Mercedes-Dominanz zu brechen.

Lewis Hamilton musste bereits kurz vor dem Start einen Rückschlag hinnehmen. Statt von Platz zwei – er lag im Qualifying zwölf Tausendstelsekunden hinter Bottas – durfte er nur von Rang fünf starten, weil er in der Qualifikation bei seiner schnellsten Runde regelwidrig Gelbe Warnflaggen missachtet hatte. Die Rennkommissare gaben einem Protest des Red-Bull-Teams statt. „Das muss man sportlich nehmen“, meinte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

So konnte Hamiltons Teamkollege Bottas das Rennen von vorn bestimmen und ließ sich zu keiner Zeit von Rang eins verdrängen. Hamilton kam dem Finnen zwar mehrfach sehr nah, konnte aber nie ernsthaft attackieren. Wie bei vielen Teams schlichen sich auch bei Mercedes im Rennverlauf technische Sorgen ein. Gleich neun Fahrer erreichten in Spielberg nicht das Ziel.

Formel 1 – Endklassement:

Kniefall vor dem Start

Sieben Monate seit dem Saisonfinale in Abu Dhabi und vier Monate seit dem abgesagten Australien-Auftakt hatte die Formel 1 auf ihren nächsten Grand Prix warten müssen. Dem Neustart der Formel 1 in der Corona-Krise in Spielberg ging dann ein symbolischer Akt voraus: 14 der 20 Piloten gingen als Zeichen des Protests gegen Rassismus auf ein Knie.

„Ich glaube, dass Fakten und Verhaltensweisen in unserem täglichen Leben mehr zählen als förmliche Gesten, die in manchen Ländern umstritten sein könnten“, erklärte Ferrari-Pilot Charles Leclerc seinen Verzicht auf einen Kniefall, wie ihn viele Sportler weltweit zuvor gezeigt hatten.

Insgesamt gingen 14 Piloten vor dem Start in die Knie, darunter neben Hamilton auch Leclercs Teamkollege Sebastian Vettel. Stehen blieben dagegen außer Leclerc auch Max Verstappen, Lando Norris, Carlos Sainz, Antonio Giovinazzi und Daniil Kwjat. Alle Fahrer trugen indes schwarze T-Shirts, die meisten mit der Aufschrift „End Racism“. Hamiltons Shirt trug die Botschaft „Black lives matter“.

Zuvor hatte die Fahrergewerkschaft GPDA mitgeteilt: „Alle 20 Fahrer sind vereint mit ihren Teams gegen Rassismus und Vorurteile, begrüßen zugleich die Prinzipien von Diversität, Gleichheit und Inklusion und unterstützen die Verpflichtung der Formel 1 dazu.“ Der Weltverband Fia erteilte jedem Piloten die Erlaubnis für eigene Gesten. Als Signal für mehr Vielfalt und gegen Diskriminierung ist zudem der Silberpfeil in diesem Jahr schwarz lackiert.

Video-Tweet der Formel 1:

Quarantäne-Neustart im Sperrbezirk

Immerhin eine kleine Champagner-Sause war den drei Erstplatzierten auf der Zielgeraden erlaubt. Zuvor hatte beim Neustart der Formel 1 eine steirische Trachtengruppe den Erzherzog-Johann-Jodler über die verwaisten Tribünen von Spielberg geschmettert, Kunstflieger ziehen Rauchkringel über das gespenstisch leere Fahrerlager. Die Show muss ja irgendwie weitergehen.

Als erster internationaler Sport hat die Formel 1 die Rückkehr geschafft, wenn auch nur im Notbetrieb mit strikten Hygieneregeln. „Das ist eine außerordentliche Leistung“, sagt Weltverbandspräsident Jean Todt, der selbst zur Inspektion nach Österreich gereist ist.

Bei aller Erleichterung über den gelungenen Neustart fährt die Sorge aber weiter mit. Wie lange kann das gut gehen mit der verordneten Selbstisolation im PS-Wanderzirkus, der bis Mitte Dezember noch mindestens 14 weitere Rennen aufführen will? Und kann die Formel 1 ihr wirtschaftliches Überleben trotz schwerer Einbußen und des Corona-Einbruchs der globalen Wirtschaft sichern?

„Wir sind in einer absoluten Krisensituation“, sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Fia-Präsident Todt rechnet mit „langfristigen Konsequenzen“ für die Formel 1. Auch die großen Hersteller seien betroffen, viele Menschen würden ihre Arbeitsplätze verlieren. Er hoffe aber, dass dies „in zwei, drei Jahren nur eine außergewöhnliche Erinnerung sein wird“.

Unter dem Druck der Pandemie hat die Rennserie ein Rettungspaket geschnürt. Die neue Budgetgrenze wurde für 2021 noch einmal deutlich gesenkt, die mit hohen Entwicklungskosten verbundene Reform des Regelwerks um ein Jahr auf 2022 verschoben. Doch diese Zukunft ist noch fern, erst einmal muss die Formel 1 die Herausforderungen der Gegenwart meistern.

Auf 81 Seiten hat die Fia die „Richtlinien für die Rückkehr des Motorsports“ nach dem Corona-Stillstand festgeschrieben. Auf dem Red-Bull-Ring herrscht Maskenpflicht auch im Freien. Am Eingang wird Fieber gemessen, überall stehen mobile Spender mit Desinfektionsmittel. Alle Beteiligten sind streng in Untergruppen unterteilt, die auch nach Feierabend keinen Kontakt zueinander haben sollen. Das Abstandsgebot ist nur im Rennen auf der Strecke aufgehoben.

„In aller Demut, aber auch mit großem Stolz dürfen wir jetzt ein kleines Stück Renngeschichte schreiben bei uns in Spielberg im grünen Herzen Österreichs“, lässt sich Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz im Streckenblatt Red Bulletin zitieren und erkennt im Wiederbeginn der Raserei einen „Aufbruch in die Freiheit, die wir uns verdient haben“.

Anders als beim ursprünglichen Saisonstart in Melbourne im März, der nur wenige Stunden vor dem ersten Training wegen eines Corona-Falls beim McLaren-Team abgesagt worden war, blieb die umfassende Testreihe vor dem Grand Prix in Österreich ohne positiven Befund. 4.032 Fahrer, Teammitglieder und weitere Mitarbeiter seien überprüft worden, teilte die Formel 1 erleichtert vor dem Neustart in Spielberg via Twitter mit.

Zuschauer aber bleiben aus Sicherheitsgründen vorerst ausgesperrt. Polizei-Hubschrauber mit Infrarot-Kameras sollen im Umfeld der Strecke mögliche unbefugte Schaulustige aufspüren. Das strikte Protokoll werde wohl mindestens für die ersten acht Auftritte in Europa gelten, sagte Fia-Renndirektor Michael Masi. „Ich erwarte da keine großen Veränderungen. Wir wollen da beständig für alle kommenden Events sein und das nicht jedes Mal abhängig von der Lage im jeweiligen Land wieder ändern“, erklärte der Australier.

Wie es danach weitergeht, ist noch ziemlich unklar. Acht Rennen genügen zwar laut Reglement, um einen Weltmeister zu küren. Für die Rettung des Großteils der TV- und Sponsorengelder aber sind mindestens 15 Grand Prix nötig. Doch sind die bislang nicht abgesagten Gastspiele in den USA, Mexiko oder Brasilien trotz hoher Infektionszahlen denkbar? „Das kann man sich wirklich nicht vorstellen“, sagt Mercedes-Teamchef Wolff der BBC.

Für die Formel 1 hat die Fahrt ins Ungewisse gerade erst begonnen – die zweite Etappe steht direkt bevor: Schon eine Woche nach dem Neustart der Formel 1 ist auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg auf der gleichen Strecke der zweite Saisonlauf angesetzt, sieben Tage später folgt dann der Große Preis von Ungarn. In Budapest will Ferrari dann eine komplett überholte Version seines Autos an den Start bringen. Sebastian Vettel kann den Radikal-Umbau seines störrischen F1000 sicher kaum erwarten.

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DPA-Fotos:

(1) 14 Formel-1-Piloten um Weltmeister Lewis Hamilton knieten vor dem WM-Auftakt. Foto: Dan Istitene/pool Getty/AP/dpa
(2) 14 Formel-1-Piloten um Weltmeister Lewis Hamilton knieten vor dem WM-Auftakt. Foto: Joe Klamar/pool AFP/AP/dpa
(3) Mercedes-Pilot Valtteri Bottas (v.) setzte sich vom Start weg ab. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
(4) Max Verstappen fiel im Red Bull früh aus. Foto: Darko Bandic/AP/dpa
(5) Lewis Hamilton erhielt nach einer Kollision eine Fünf-Sekunden-Strafe. Foto: Leonhard Foeger/pool Reuters/AP/dpa
(6) Sebastian Vettel kam in Österreich nur auf Platz zehn. Foto: Leonhard Foeger/pool Reuters/AP/dpa
(7) Bottas (M.) gewann vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc (l) und Lando Norris vom Team McLaren. Foto: Mark Thompson/pool Getty/AP/dpa
(8) Der Finne Valtteri Bottas vom Mercedes-Team gewann in Spielberg. Foto: Mark Thompson/pool Getty/AP/dpa
(9) Nach seinem Sieg gönnte sich Bottas einen Champagner-Schluck. Foto: Mark Thompson/pool Getty/AP/dpa

Video-Tweet Formel 1 – Kollision Vettel:

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