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Demos in USA: Proteste zum Tod von George Floyd dauern an

Aufgereckte Faust auf dem umbenannten «Black Lives Matter»-Platz in Washington. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
Aufgereckte Faust auf dem umbenannten «Black Lives Matter»-Platz in Washington. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Der brutale Tod von George Floyd wird für immer Teil der US-Geschichte sein. Sein Schicksal hat viele Menschen berührt, die nicht einfach wieder zum Alltag zurückkehren wollen. Sie gehen massenhaft auf die Straßen – und fordern Veränderung. Donald Trump gerät unterdessen mehr und mehr unter Druck.

Nach dem Tod von George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz reißen die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA nicht ab. Vor dem Weißen Haus in Washington kam es am Samstag ebenfalls wieder zu friedlichen Demonstrationen – die sich auch gegen US-Präsident Donald Trump und seine Politik richteten.

In Philadelphia, New York, Atlanta und weiteren Städten gingen die Menschen ebenfalls in teils ausgelassener Stimmung auf die Straße. Sie forderten Gerechtigkeit für George Floyd, der vor knapp zwei Wochen bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden war. Allein in Philadelphia waren örtlichen Medienberichten zufolge Zehntausende auf der Straße.

Trump sagt Golf-Trip ab

Trump wollte unterdessen am Wochenende eigentlich in seinen Golfclub in Bedminster im Bundesstaat New Jersey reisen, es sollte sein erster Ausflug über Nacht seit der Corona-Krise sein.

US-Medien berichteten, der Trip sei angesichts der anhaltenden Proteste in den USA abgesagt worden. Bereits vor zwei Wochen handelte sich Trump Kritik ein, als er sich auf dem Golfplatz vergnügte, während die Zahl der Corona-Toten in den USA sich auf die Marke von 100.000 zubewegte, die sie mittlerweile überschritten hat.

Trump nun erneut auf dem Golfplatz, während im ganzen Land protestiert wird – das hätte sicher kein gutes Bild abgegeben. Also verbrachte Trump das Wochenende im abgeriegelten Weißen Haus, während vor den neuen Barrikaden, die seine Regierung am Lafayette-Park errichten ließ, Tausende Menschen aufzogen.

In der Umgebung der verbarrikadierten Regierungszentrale hielten Demonstranten Schilder mit Aufschriften wie „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit“, „Stoppt Rassismus jetzt“ oder „Ich kann nicht atmen“ in die Höhe – letzteres hatte Floyd mehrfach verzweifelt gesagt, als ihm ein weißer Polizist sein Knie in den Nacken drückte. Es gab auch mehrere Plakate mit der Aufschrift „Weißes Schweigen ist Gewalt“.

„Black-Lives-Matter-Platz“

Am Montagabend hatte Trumps Regierung am Lafayette-Park friedliche Demonstranten mit Tränengas und unter Einsatz der Militärpolizei vertreiben lassen, damit der Präsident dort vor einer Kirche mit einer Bibel für die Kameras posieren konnte.

Das heizte die Wut im ganzen Land an – auch bei Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser. Bowser ließ die Kreuzung an der Kirche in „Black Lives Matter“-Platz benennen. Auf die 16. Straße, die zu dem Platz vor dem Weißen Haus führt, ließ sie ebenfalls in riesigen Lettern „Black Lives Matter“ pinseln.

Zugleich forderte sie Trump auf, das Militär aus ihrer Stadt abzuziehen. Trump ließ seiner Frustration auf Twitter freien Lauf: „Bürgermeisterin Bowser ist extrem inkompetent und in keiner Weise qualifiziert, eine wichtige Stadt wie Washington zu leiten“, wetterte er.

Am Sonntag konnte Bowser in ihrem eskalierenden Konflikt mit Trump einen Punktsieg verbuchen: Der Präsident kündigte auf Twitter an, die Nationalgarde – die zur Reserve der US-Armee zählt – aus der Hauptstadt abzuziehen. Er argumentierte, in der Hauptstadt sei jetzt „alles unter perfekter Kontrolle“. Am Samstagabend seien „viel weniger Demonstranten erschienen als erwartet“.

Washington im Zentrum der Proteste

Washington hat sich zu einem Zentrum der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA entwickelt – auch, weil viele Demonstranten Trump für ein gewichtiges Teil des Problems halten. „Er ist eklatant rassistisch“, sagt am Samstag ein Weißer, auf dessen Schild „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden – und Fuck Trump“ steht.

Trumps Aussage, dass er gewaltlose Demonstrationen unterstütze, sei heiße Luft. „Er sagte, wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen. Ich halte das für Ermutigung zur Gewalt, nicht für deren Unterdrückung.“

Seinen Namen will der Mann nicht nennen, ebenso wenig wie ein schwarzer Mitdemonstrant, der ganz ähnlicher Meinung ist. Trump sei „der größte Rassist im Land, er ist es, der Rassisten ermutigt“, sagt dieser Demonstrant. Er verweist auf Trumps Äußerungen nach einem Aufmarsch von Rechtsradikalen in Charlottesville im Bundesstaat Virginia im August 2017, bei dem eine Gegendemonstrantin getötet wurde.

Trump hatte danach für einen Aufschrei der Empörung gesorgt, als er sagte, es habe auf beiden Seiten „sehr gute Menschen“ gegeben. „Er ist nicht nur spaltend. Er ist ein Zerstörer. In seiner Gegenwart zu sein, lässt dich sterben“, hatte mit Gregg Popovich einer der bekanntesten Coaches der NBA zudem deutliche Worte gefunden und den Präsidenten als „geistesgestörten Idioten“ bezeichnet.

Auch Andrew Tauber demonstriert auf der 16. Straße, der weiße Anwalt erklärt mit Blick auf die Proteste in den USA: „Ich denke, dass die Räumung des Lafayette-Parks vor einigen Tagen wirklich ein Zeichen für die Versuche der Trump-Regierung ist, die Institutionen der amerikanischen Demokratie zu untergraben.“

Er trägt zwei Schilder, auf denen „Keine Truppen auf US-Straßen“ und „Lafayette Park ist nicht weit entfernt vom Tian’anmen-Platz“ steht – auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking war am 4. Juni 1989 Chinas Volksbefreiungsarmee gegen friedliche Demonstranten vorgegangen, Hunderte Menschen starben. Ausgerechnet aus China kam vor einigen Tagen Kritik am Vorgehen von Donald Trump – und das mit Verweis auf das eigene Vorgehen in Hongkong.

Kritik aus dem Militär

Die Räumung des Parks und seine Drohung, das US-Militär gegen Demonstranten einzusetzen, könnten für Trump nach hinten losgehen. Trumps früherer Verteidigungsminister James Mattis schrieb im Magazin The Atlantic, Trump sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, Amerika zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten.

Trumps Ex-Stabschef John Kelly schloss sich der Kritik an und sagte: „Ich denke, wir müssen uns genauer ansehen, wen wir wählen.“ Mehrere frühere US-Verteidigungsminister warnten Trump davor, das Militär in einer Weise einzusetzen, die die verfassungsmäßigen Rechte der Amerikaner untergraben würde. Auch der aktuelle Verteidigungsminister Mark Esper distanzierte sich.

Colin Powell fand gegenüber CNN ebenfalls drastische Worte: „Wir haben eine Verfassung. Und wir müssen uns an diese Verfassung halten. Der Präsident hat sich von ihr entfernt.“ Trump sei „gefährlich für unsere Demokratie, gefährlich für unser Land“, so der General, unter dem Republikaner George W. Bush erster afroamerikanischer Außenminister der USA. Powell kündigte an, er würde seine Stimme dem Demokraten Joe Biden geben.

Während die Proteste in den USA nicht abflauen, wirkt Trump zunehmend hilflos. Bei einem Auftritt im Weißen Haus am Freitag redete er über positive Arbeitslosenzahlen und forderte eine Gleichbehandlung aller Bürger durch die Polizei.

Und Trump sagte: „Hoffentlich schaut George jetzt gerade herunter und sagt, dass das eine großartige Sache ist, die in unserem Land geschieht.“ Der Präsident sprach von einem „großartigen Tag“ für Floyd und für alle Amerikaner. Auf einem Schild bei der Demonstration am Samstag in Washington steht: „George Floyd ist tot. Er wird nie wieder einen «großartigen Tag» haben.“

Klare Positionierung von Joe Biden

Ganz anders der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden: Er sprach den Demonstranten seine Unterstützung aus und versprach ihnen, sich künftig für Polizeireformen und gegen Rassismus zu engagieren. Es brauche „längst fällige konkrete Maßnahmen“, um dem „systematischen Rassismus“ in den USA ein Ende zu bereiten, forderte Biden in einem Gastbeitrag in der Los Angeles Times.

Biden versprach, als Präsident in seinen ersten 100 Tagen im Amt eine Kommission für Polizeireformen einzusetzen. Zudem solle der Kongress schon jetzt handeln und umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen verbieten. Forderungen, die es auch auf den Demos in den USA gab.

George Floyd dürfe nicht nur einfach ein weiterer Hashtag werden, schrieb Biden auf Twitter. „Wir brauchen Gerechtigkeit und wir brauchen wirkliche Polizeireformen, um sicherzustellen, dass das nie wieder passiert.“ Anstatt wie Präsident Trump das Land zu spalten und „Hass“ zu schüren, werde er sich darum bemühen, die Wunden des Rassismus zu heilen, versprach Biden.

Polizeireformen angekündigt

Floyd war bei einer Festnahme in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gestorben. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt – trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen.

Der Beamte und drei weitere beteiligte Polizisten wurden nach Bekanntwerden des Vorfalls entlassen. Sie wurden inzwischen festgenommen und angeklagt. Floyd war wegen des Verdachts, in einem Laden mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden.

Floyds Tod hat das Land erschüttert und neben den Demos in den USA auch zu ersten Veränderungen geführt. Die Stadt Minneapolis kündigte umfassende Polizeireformen an. Künftig dürften Beamte keine Würgegriffe mehr anwenden und Verdächtige nicht am Nacken festhalten, erklärte Bürgermeister Jacob Frey.

Zudem müssten alle Polizeibeamte, die Zeugen einer „ungenehmigten Gewaltanwendung“ ihrer Kollegen würden, dies unter Strafandrohung melden. Die mit dem Bundesstaat Minnesota juristisch bindend vereinbarten Reformen seien ein guter Schritt, um die Kultur der Polizei zu ändern und „systematischen Rassismus zu entwurzeln“, schrieb Frey auf Twitter.

Auch im bevölkerungsreichen Westküstenstaat Kalifornien soll ein Würgegriff, bei dem die Blutzufuhr zum Gehirn unterbunden wird, künftig verboten werden. Gouverneur Gavin Newsom erklärte am Freitag, die Methode werde aus dem Trainingsprogramm für Polizeibeamte gestrichen, zudem solle auch eine gesetzliche Regelung folgen.

Der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, stellte am Freitag ebenfalls einen Gesetzentwurf vor, der unter anderem den Würgegriff bei Polizeieinsätzen verbieten soll. Zudem sollen Akten zu früherem Fehlverhalten von Polizisten transparent einsichtlich gemacht werden.

In New York kündigte Manhattans Staatsanwalt Cy Vance an, Demonstranten nicht wegen Verstößen gegen die nächtliche Ausgangssperre zu belangen. „Die strafrechtliche Verfolgung von Demonstranten, denen diese geringfügigen Delikte vorgeworfen werden, untergräbt die wichtigen Verbindungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Gemeinschaften, denen wir dienen“, hieß es in einer Mitteilung.

Unterstützung von Obama

Der Tod Floyds hat nach Ansicht des früheren US-Präsidenten Barack Obama eine „ehrliche“ Debatte über Rassismus in den USA ausgelöst. Die von Floyds Tod ausgelöste Bewegung sei „inspirierend“, sagte der 58-jährige Ex-Präsident in einem Videochat.

„Es hat in der vergangenen Woche in diesem Land so viel ehrliche Gespräche zum Thema Rassismus gegeben wie nie zuvor in der Zeit, an die ich mich erinnern kann“, sagte Obama. Nicht nur von Seiten einer Minderheit, sondern von „einem großen Teil des Landes“.

Obama, der erste schwarze US-Präsident, hatte sich zuletzt nur sehr selten zu aktuellen politischen Themen geäußert. Seit Floyds Tod hat er aber bereits mehrfach über Rassismus gesprochen.

Auch der US-Sport engagiert sich: Michael Jordon kündigte eine Spende von 100 Millionen Euro für den Kampf gegen Rassismus an und die NFL folgte dem Druck der Spieler und positionierte sich in einem Eingeständnis deutlich. „Wir müssen jetzt was ändern“, hatte auch Dirk Nowitzki gefordert.

Für den 28. August ist zudem ein Marsch auf Washington angekündigt, wie ihn Martin Luther King an eben diesem Tag vor 57 Jahren anführte. Es könnte ein neuer Höhepunkt der Proteste in den USA werden. Martin Luther King hatte damals auf der Abschlusskundgebung die legendäre „I have a Dream“ Rede hielt, in der die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen einforderte. Die Neuauflage könnte eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der USA werden.

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