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Botschafter-Eklat in Türkei: Erdogan signalisiert Entspannung

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Burhan Ozbilici/AP/dpa
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: Burhan Ozbilici/AP/dpa

Präsident Erdogan droht am Wochenende, zehn Botschafter aus der Türkei auszuweisen. Er löst damit einen diplomatischen Eklat aus. Nach einer Mitteilung der Botschafter signalisiert er nun Entspannung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will den deutschen und neun weitere Botschafter nun doch nicht ausweisen: Erdogan wertete zurückhaltende Reaktionen der Botschaften als Einlenken.

Sie hätten vor der „Verleumdung unserer Justiz und unseres Landes kehrtgemacht“, sagte Erdogan am Montagabend nach einer Kabinettssitzung in Ankara. Er glaube daran, dass die Botschafter in Zukunft „vorsichtiger“ sein werden.

Die Botschaften der USA, Kanadas, Neuseelands und der Niederlande in Ankara twitterten am Montag eine Erklärung, sich weiter an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens zu halten. Andere Botschaften wie die deutsche teilten lediglich den US-Tweet. Der Artikel weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen.

Streit um inhaftierten Kulturförderer

Osman Kavala, damals Vorsitzender des Kulturinstituts Anadolu Kültür, spricht auf einer Pressekonferenz im EU-Parlament. Foto: Wiktor Dabkowski/dpa
Osman Kavala, damals Vorsitzender des Kulturinstituts Anadolu Kültür, spricht auf einer Pressekonferenz im EU-Parlament. Foto: Wiktor Dabkowski/dpa

Hintergrund des Eklats ist eine von den Botschaftern gemeinsam unterzeichnete Forderung, den in der Türkei inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala freizulassen.

Es sei seine Aufgabe gewesen, „dieser Respektlosigkeit die notwendige Antwort zu geben“, sagte Erdogan am Montagabend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert bereits seit 2019 Kavalas Freilassung und argumentierte etwa mit einem Mangel an Beweisen.

Vor Erdogan hatten auch türkische Medien das als Erfolg Erdogans gewertet. Er selbst sagte dazu: „Die türkische Justiz nimmt keine Anweisungen an und ordnet sich niemandem unter.“ Wer die Unabhängigkeit der Türkei und die Empfindsamkeiten der Türken nicht respektiere, werde in diesem Land nicht Willkommen geheißen, so Erdogan.

Am Samstag hatte Erdogan verkündet, er habe das Außenministerium angewiesen, die Botschafter zehn westlicher Länder – darunter neben Deutschland auch die USA und Frankreich – zu unerwünschten Personen („Persona non grata“) zu erklären.

Vorwurf des Umsturzversuchs

Der türkische Unternehmer und Kulturförderer Osman Kavala sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft. Kavala wird beschuldigt, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul 2013 unterstützt und einen Umsturzversuch angezettelt zu haben.

Ihm wird außerdem „politische und militärischen Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kritiker wie auch etwa der EGMR sehen die Vorwürfe als politisch motiviert.

Der Analyst Soner Cagaptay vom Washington Institute wertete Erdogans Rede am Montag als Imageschaden: „Erdogan profitiert im Inland von einem globalen Image als starker Mann.“ Auch wenn seine Administration behaupten werde, das sein Schritt nun kein Rückzug sei, verpasse es Erdogans Image doch eine große Delle.

Nach der Ankündigung Erdogans wäre dem türkischen Außenministerium nach diplomatischem Regelwerk die Aufgabe zugekommen, den betroffenen Staaten offiziell mitzuteilen, dass die Botschafter ihre Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Frist einstellen müssen.

Das scheint nun abgewendet. Neben Deutschland und den USA beteiligten sich auch die Botschafter von Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen und Schweden.

Reaktionen als Erfolg verbucht

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte die Tweets aus den Botschaften gleich als Erfolg Erdogans gewertet und twitterte ihrerseits: „Die US-Botschaft in Ankara hat nachgegeben.“

Auch der staatliche Nachrichtensender TRT berichtete am Abend umfassend unter dem Motto: „Die USA weichen zurück.“ Einer der Redakteure verglich das Vorgehen der westlichen Botschafter etwa mit ausländischen Einmischungen in den US-Wahlkampf.

International hatte die Ankündigung Erdogans vor allem für Verwunderung gesorgt. Die Bundesregierung hatte am Montag irritiert auf die vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angedrohte Ausweisung der Botschafter Deutschlands und neun weiterer Länder reagiert.

Man nehme die Äußerungen „mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Reaktion werde es zunächst aber nicht geben. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts ergänzte, dass eine Ausweisung des Botschafters „im Widerspruch zur Tiefe und auch zur Bedeutung“ der deutsch-türkischen Beziehungen stehen würde. „Und er entspräche auch nicht dem Umgang unter Nato-Verbündeten.“

Situation „sehr ernst“ eingestuft

Die deutsche Botschaft in Ankara. Der türkische Präsident Erdogan hat verkündet, die Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer Staaten zu unerwünschten Personen zu erklären. Foto: picture alliance / dpa
Die deutsche Botschaft in Ankara. Der türkische Präsident Erdogan hat verkündet, die Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer Staaten zu unerwünschten Personen zu erklären. Foto: picture alliance / dpa

Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell teilte mit, man verfolge die Entwicklungen sehr genau und stufe die Situation als sehr ernst ein. Bisher sei jedoch keines der betroffenen Länder über tatsächliche Maßnahmen informiert worden.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich zurückhaltend: Bis Ergebnisse der Kontakte zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern bekannt würden, sei es zu früh, darüber zu sprechen.

Auch im Inland schlug Erdogan Kritik entgegen. Sein früherer Getreuer und der ehemalige Präsident des Landes, Abdullah Gül, sagte der Zeitung Sözcü, es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch größeren Krise zu machen.

Die Oppositon warf Erdogan Ablenkungsmaßnahmen von einer Wirtschaftskrise vor. Selbst in der regierungsnahen Zeitung Sabah forderte ein Kommentator die Regierung dazu auf, andere Lösungen zu finden, um Spannungen in Konflikten mit anderen Staaten abzubauen.

© dpa-infocom, dpa:211025-99-730396/9

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