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Bayern kündigt Ausweitung an: Corona-Test für jeden?

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml. Foto: Peter Kneffel/dpa
Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml. Foto: Peter Kneffel/dpa

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie richtet sich der Blick zurzeit vor allem auf die sogenannten Hotspots. Doch wie weit hat sich das Virus unbemerkt schon in der Allgemeinbevölkerung ausgebreitet? Bayern macht den Bürgern nun ein ungewöhnliches Angebot: Ein Corona-Test für jeden.

In Bayern soll es künftig für jeden der möchte einen Corona-Test geben- ganz unabhängig davon, ob er Symptome hat. Die Tests sollen „massiv“ ausgeweitet werden, wie Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in München erklärte.

Sie kündigte eine „Corona-Testoffensive“ an: „Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen.“ Die Kosten will der Freistaat übernehmen, soweit sie nicht etwa von der Krankenkasse getragen werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) regierte zurückhaltend. „Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst“, sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. „Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert eine zielgenaue Strategie. Grundsätzlich sei das Vorgehen Bayerns richtig. „Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass die richtigen Leute getestet und die Tests selbst billiger werden“, sagte Lauterbach der Funke Mediengruppe. Im Herbst seien Massentests nötig. „Neue Studien deuten daraufhin, dass es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopersonen regelmäßig teste.“

Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich – besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die dafür eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht – also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.

Bayern ist aber das erste Bundesland, das Tests für alle vorsieht. „Ein Eckpunkt unseres Bayerischen Testkonzepts ist, dass alle Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert haben“, betonte Huml. Es sei „ein ergänzendes Angebot, das vollständig aus staatlichen Mitteln getragen wird“, sagte ein Sprecher auf dpa-Anfrage. Den Ärzten steht es demnach aber frei, die Leistung anzubieten.

Massentests in Gütersloh

Nach dem Corona-Ausbruch in einem Tönnies-Fleischbetrieb im Kreis Gütersloh sehen die Behörden in Nordrhein-Westfalen bisher keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus in größerem Umfang unter der übrigen Bevölkerung verbreitet hat. Ministerpräsident Armin Laschet hatte – auch hinsichtlich der zusätzlichen Tests der Bevölkerung – die Haftung des Unternehmens ins Spiel gebracht.

Der Kreis Gütersloh berichtete am Samstagabend, die Zahl der nachweislich Infizierten, die keinen direkten Bezug zur Tönnies-Belegschaft haben, sei zuletzt zwar „merklich“ gestiegen. Das liege aber vor allem an der starken Ausweitung der Tests. Viele der Infizierten zeigten keine Symptome.

Vom 20. bis 26. Juni wurden im Kreis Gütersloh demnach 75 Menschen ohne Tönnies-Verbindung positiv auf das Virus getestet. Das waren 28 mehr als im Vergleichszeitraum einen Tag zuvor.

Im Nachbarkreis Warendorf waren nach Angaben der Behörden nur 2 der 4.491 Corona-Tests positiv, die bis Samstagnachmittag in zwei Testzentren und bei Ärzten ausgewertet wurden. „Der bisherige Trend zeigt, dass das Virus nicht auf die allgemeine Bevölkerung übergesprungen ist“, erklärte Landrat Olaf Gericke (CDU) am Abend.

In den Kreisen Gütersloh und Warendorf gelten wegen des Corona-Ausbruchs in dem Tönnies-Werk mit mehr als 1.500 infizierten Mitarbeitern seit vergangenen Mittwoch wieder verschärfte Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Alle Bürger können sich freiwillig testen lassen. Zum Start der Schulferien in NRW nehmen viele das Angebot an, damit sie eine Bescheinigung bekommen, die ihnen Urlaub in anderen Bundesländern erlaubt.

Das NRW-Gesundheitsministerium wiederum erhofft sich von den Tests in der Allgemeinbevölkerung ein Bild, inwieweit sich das Virus ausgebreitet hat. Da die verschärften Auflagen bis zum 30. Juni befristet sind, muss spätestens am Dienstag eine Entscheidung über Auslaufen oder Verlängerung fallen.

Fleischindustrie im Fokus

Nach den Vorfällen bei Tönnies muss die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen künftig Beschäftigte auf eigene Kosten mindestens zwei Mal pro Woche testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli für Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit mitteilte.

Auch in Bayern soll ein Schwerpunkt der Tests auf Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. In 33 weiteren ausgewählten Betrieben sollen die Mitarbeiter reihenweise getestet werden. Bei den ersten Reihentestungen bei 51 Schlachthöfen in Bayern waren laut Ministerium 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.

„Dabei wollen wir auch herausfinden, ob die hohe körperliche Belastung oder die Arbeit bei ungünstigen Klimabedingungen mögliche weitere Risikofaktoren für eine Corona-Infektion darstellen“, sagte Huml. Bei den ersten umfassenden Corona-Reihentestungen von Mitarbeitern an 51 Schlachthöfen in Bayern waren nach Ministeriumsangaben insgesamt 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.

© dpa-infocom, dpa:200628-99-590868/9

weiterführende Informationen:
➡️ Pressemeldung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege

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