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Kindesmissbrauch: Verschärfung des Strafrechts geplant

Eine Gartenlaube, einer der Tatorte des vermutlichen Haupttäters in einem Missbrauchsfall. Foto: Marcel Kusch/dpa
Eine Gartenlaube, einer der Tatorte des vermutlichen Haupttäters in einem Missbrauchsfall. Foto: Marcel Kusch/dpa

Nach dem Fall von Kindesmissbrauch in Münster zeichnet sich jetzt doch eine Verschärfung des Strafrechts ab. Bundesjustizministerin Lambrecht hat sich nach anfänglicher Skepsis nun ebenfalls dafür ausgesprochen.

Nach tagelangem Druck und scharfer Kritik aus der Union hat sich an diesem Donnerstag auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für eine Verschärfung des Strafrechts bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ausgesprochen.

Die Ministerin strebt aber gleichzeitig auch Gespräche mit Politikern, Missbrauchsbeauftragten, Polizei, Justiz und Jugendämtern an, um bei Prävention, Ermittlung und Strafverfolgung voranzukommen.

„Sexueller Missbrauch bricht Kinderseelen“, sagte Lambrecht am Donnerstag in Berlin. „Ohne Wenn und Aber muss klar sein, dass das ein widerliches Verbrechen ist und das muss sich auch im Strafmaß ausdrücken.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht will härtere Strafen bei Kindesmissbrauch nun schnell auf den Weg bringen. „Ich habe mein Haus angewiesen, schnellstmöglich eine entsprechende Regelung vorzulegen“, sagte die SPD-Politikerin im ZDF-heute journal. „Das kann und wird auch schnell gehen“, zeigte sich Lambrecht überzeugt.

Die Justizministerin verwies erneut darauf, dass Taten wie in Münster bereits jetzt mit höchsten Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren geahndet werden könnten. Die SPD-Politikerin will nun aber auch härtere Strafen für Missbrauchsfälle, die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen, wie sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte.

„Das sind zum Beispiel Berührungen von Kindern in sexueller Weise. Im Gesetz muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass es sich hierbei ohne Wenn und Aber um Verbrechen handelt“, so Lambrecht.

Als Verbrechen gilt laut Strafgesetzbuch eine Tat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird, als Vergehen eine Tat, für die auch eine geringere Freiheits- oder Geldstrafe verhängt werden kann. Ob eine Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen ist, leitet sich also davon ab, welcher Strafrahmen dafür jeweils im Strafgesetzbuch vorgesehen ist.

Druck von CDU und CSU

CDU und CSU hatten in den vergangenen Tagen Druck gemacht und eine Strafrechtsänderung dahingehend gefordert, dass Kindesmissbrauch in jedem Fall unter die Kategorie Verbrechen fällt und dass außerdem die Strafen in Zusammenhang mit Kinderpornografie erhöht werden.

Lambrecht hatte die Forderungen zunächst zurückgewiesen und gesagt, wichtiger sei es, den Ermittlern mehr Möglichkeiten zu geben. Dafür hatte sie viel Kritik geerntet. Vertreter von CDU und CSU warfen ihr „Arbeitsverweigerung“ und eine „Blockadehaltung“ vor. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte gefordert den Strafrahmen auszuschöpfen und die Prävention zu verstärken.

Die SPD-Politikerin will nun auch härtere Strafen für Missbrauchsfälle, die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen. Mit Hinweis auf den Fall von Münster sprach Lambrecht von „widerlichen Straftaten“. Diese seien schon heute schwere Verbrechen, die mit bis zu 15 Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung geahndet werden können. Sie habe die Erwartung an die Justiz, dass der mögliche Strafrahmen auch ausgenutzt werde.

„Ich will, dass Täter, die mit Kinderpornografie auf widerlichste Weise Geld verdienen oder kriminelle Tauschringe betreiben, härter bestraft werden. Es ist ein abscheuliches Verbrechen, mit dem Missbrauch von Kindern Geld zu machen“, so Lambrecht.

„Späte Einsicht ist besser als keine“, sagte der CDU-Rechtsexperte Patrick Sensburg (CDU) der Bild zum Schwenk der Ministerin. „Wir sollten die Strafverschärfung jetzt unverzüglich auf den Weg bringen und noch vor der Sommerpause beschließen“, forderte Sensburg. CDU-Vize Silvia Breher sagte der Nordwest-Zeitung: „Wir brauchen endlich härtere Strafen.“ Der Mindeststrafrahmen sei „einfach zu niedrig“.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte in der Rhein-Neckar-Zeitung, den Strafrahmen beim Besitz von kinderpornografischem Material von drei auf fünf Jahre zu erhöhen. Zudem müsse die Polizei zusätzliches Personal und Ermittlungsbefugnisse im Kampf gegen Kindesmissbrauch erhalten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) mahnte, jetzt sei es an der Bundesregierung, schnell zu handeln. „Je schneller, je besser“, sagte Reul bei Bild Live am Donnerstag.

weitere Reaktionen

Der Deutsche Richterbund kritisierte am Donnerstag die auf Verschärfung des Strafrechts fokussierte Diskussion bei Kindesmissbrauch. Diese greife zu kurz, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem RND. „Abschrecken lassen sich mögliche Täter in erster Linie durch das Risiko, überführt und bestraft zu werden.“

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte vor zu großen Erwartungen. Er könne die Forderungen nach Strafrechtsverschärfungen nachvollziehen und habe im Grundsatz gegen eine Verschärfung nichts einzuwenden, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Man dürfe sich „aber keine falschen Hoffnungen machen: Härtere Strafen haben keinerlei präventive Wirkung.“

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, forderte einen höheren Fahndungsdruck: „Jetzt müssen die Strafverfolgungsbehörden personell und technisch so ausgestattet werden, dass potenziellen Täterinnen und Tätern klar sein muss, dass sie quasi minütlich entdeckt und verfolgt werden können.“

Die Deutsche Kinderhilfe begrüßte am Donnerstag die Ankündigung von Justizministerin Lambrecht. Der Vorstandsvorsitzende Rainer Becker sagte der Bild-Zeitung: „Frau Lambrecht hat sich geirrt. Die Ministerin hat ihren Irrtum nun offenbar zumindest in diesem Punkt eingesehen. Jetzt müssen aber noch vor der parlamentarischen Sommerpause erste konkrete gesetzgeberische Schritte folgen.“

In Bereich Kindesmissbrauch hatte es zuletzt bereits Verschärfungen gegeben: So wurde das Strafrecht beim sogenannten Cybergrooming verschärft. Dabei geht es um ein gezieltes Ansprechen von Kindern im Netz mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte. Außerdem wurden die Möglichkeiten für verdeckte Ermittler ausgeweitet, sich in versteckten Internetforen einzuschleichen, in denen Missbrauchsvideos und -bilder getauscht werden.

Die aktuelle Debatte war entbrannt, nachdem am Wochenende erneut ein Fall schweren sexuellen Missbrauchs mehrerer Kinder in Münster bekannt geworden war. Der 27 Jahre alte Hauptverdächtige war wegen Kinderpornografie-Besitzes zweifach vorbestraft. Bislang gab es in dem Fall in Münster Festnahmen von elf Tatverdächtigen aus mehreren Bundesländern. Sieben von ihnen sitzen in Untersuchungshaft.

weitere Informationen zum Fall in Münster:

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