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Reif auf der Insel: Wein im Rhein

Weinstöcke stehen auf der Insel Heyles'en Werth. Foto: Thomas Frey/dpa
Weinstöcke stehen auf der Insel Heyles'en Werth. Foto: Thomas Frey/dpa

Inselwein vom Rhein ist eine Rarität – der Anbau gilt als romantisch und aufwendig. Die Trauben wachsen in isolierten Naturparadiesen – Winzer erreichen sie nur mit dem Boot. Das Wasser dämpft Temperaturextreme, macht den Reben aber auch zu schaffen.

Bacharach/Eltville (dpa) – Mit einer Minifähre tuckert Friedrich Bastian zu seiner Insel. Mit „Preußens Gloria“ setzt Stefan Lergenmüller auf sein Eiland über. Sein ehemaliges Lotsenboot transportiert auch oft Arbeitsgeräte für Winzer. 28 größere Rheininseln gehören zu Rheinland-Pfalz und sechs weitere zu Hessen.

Doch größeren Weinbau auf einem Eiland in dem Fluss gibt es nur auf Bastians Insel Heyles’en Werth beim rheinland-pfälzischen Bacharach und auf Lergenmüllers Mariannenaue beim hessischen Eltville.

Rarität Inselwein

Bundesweit ist Inselwein eine Rarität. Dem Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI) in Bodenheim bei Mainz, Ernst Büscher, fallen nur noch die Weininsel im Main im fränkischen Kreis Kitzingen sowie die Bodenseeinseln Reichenau und Mainau mit Weinbau ein. Und nun auch die Nordseeinseln Sylt, Amrum und Föhr – dank des Klimawandels: „Es ist so, als wären diese Inseln 300 Kilometer nach Süden gerutscht.“

Heyles’en Werth im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrheintal ist 800 Meter lang, 150 Meter breit und außen mit einem Kranz von Pappeln und Weiden bewachsen. Sie schützen den Wein, der auf 1,7 meist hochwasserfreien Hektar wächst, vor Wind und die Insel vor Abtragung. Die Baumwurzeln halten mehrere Meter Flusssand fest, der sich auf Schiefer abgelagert hat. Beim gegenwärtigen Niedrigwasser des Rheins im trockenen Hochsommer scheint der Baumkranz nach oben gewandert zu sein – ganze Uferzonen sind rund um die Insel trockengefallen.

Noch größer ist die Mariannenaue weiter rheinaufwärts, gut drei Kilometer lang und 100 bis 300 Meter breit. Sie gehört zum benachbarten Weingut Schloss Reinhartshausen, seit 2013 im Besitz der Winzerfamilie Lergenmüller. Die Insel ist einst ein Kalkriff im urzeitlichen Meer gewesen. Dann hat der Fluss Kies und Steine angeschwemmt. „Viele Leute wissen gar nicht, dass es im Rhein Weinbau gibt“, sagt Stefan Lergenmüller. „Bei uns denken viele erst, wir wären so eine kleine Hallig.“ Dabei erstreckt sich der hinter Bäumenreihen versteckte Öko-Weinbau auf der Mariannenaue auf 24 Hektar – viele Weingüter verfügen über weniger Rebfläche.

Mikroklima auf Inseln

Inseln haben ein Mikroklima. Der Rhein speichert Wärme, die er an kalten und vor allem frostigen Nächten abgibt – gut für den Weinbau. DWI-Sprecher Büscher sagt: „Da gibt es auch keine Trockenschäden.“ Gerade im gegenwärtigen regenarmen Hochsommer litten am Festland in manchen Lagen junge Reben mit noch kurzen Wurzeln unter Wassermangel. Auf Inseln könne dem Weinbau allerdings in feuchten Jahren auch Pilzbefall drohen, erklärt Büscher. „Das ist eine Herausforderung.“ Zugleich lasse sich Inselwein als Rarität sehr gut vermarkten.

Inseleigentümer Bastian, studierter Opernsänger, ist mit Heyles’en Werth aufgewachsen – eine Insel als Abenteuerspielplatz und Ort für Kindergeburtstage. Bereits 1815, als Napoleon seine letzte Schlacht verloren hat, ist das Eiland als Mitgift in seine Familie gekommen. 1976 hat Filmemacher Wim Wenders es im Streifen „Im Lauf der Zeit“ verewigt. 2021 hat Bastian Heyes’en Werth an einen anderen Winzer verpachtet. Er wolle sich auf seine Gastronomie rund um den Gutshof „Grüner Baum“ aus dem Jahr 1421 am Marktplatz von Bacharach konzentrieren und weiterhin kleine Konzerte organisieren, sagt er.

Jahrhundertealte Geschichte

Auch Inseleigentümer Lergenmüller kann mit jahrhundertealter Geschichte aufwarten: Das Weingut Schloss Reinhartshausen ist nach seinen Worten 1337 gegründet worden. Damit zähle es zu den ältesten Weingütern Deutschlands. Das vorgelagerte Eiland ist 1902 nach Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau benannt worden. „Bis 1986 gehörte die Insel der Familie von Preußen“, sagt Lergenmüller. Dann seien zunächst andere Investoren eingestiegen.

Auf Bastians Eiland bei Bacharach wächst die Rebsorte Riesling. „Ich verkaufe noch 2018-er Inselwein für 28 Euro die Flasche und den 2020-er für 29,50 Euro“, sagt der Gastronom. Bis zur Verpachtung von Heyles’en Werth habe er jährlich 5000 bis 6000 Flaschen Inselwein produziert – mit zwei Mitarbeitern, die ihm auch bei weiteren Reben am Festland geholfen hätten. Den Umsatz verrät Bastian nicht.

Lergenmüller spricht von rund zwei Millionen Euro Jahresumsatz mit Weinbau auf der Mariannenaue. Etwa Weißburgunder, Sauvignon blanc und Chardonnay, aber auch uralte Rebsorten wie Adelfränkisch und Roter Riesling wachsen hier. Fünf Mitarbeiter, Lergenmüllers Frau und er selbst kümmern sich darum. Beim Weingut Schloss Reinhartshausen kommen auf dem Festland nach eigenen Angaben noch rund 60 Hektar Rebfläche hinzu. Insgesamt gebe es bis zu 20 Mitarbeiter.

Wenig berührtes Naturparadies

Wie Heyles’en Werth ist die Mariannenaue ein von Menschen nur wenig berührtes Naturparadies: Schwarzmilane, Eisvögel und Fischadler sind hier laut Lergenmüller unterwegs. Und Biber. „Die fällen fleißig Bäume“, ergänzt der Winzer. „Außerdem schwimmen Rehe und Wildschweine zur Insel rüber.“ Im Auenwald tummeln sich Libellen und Hirschkäfer: „Das ist wie ein Urwald“, sagt Lergenmüller. Manche Bäume seien bis zu 400 Jahre alt, „aber teils auch krank wegen der Umwelteinflüsse“.

Opernsänger Bastian hat fast ein Jahrzehnt lang mit seiner Minifähre auch ein Klavier auf Heyles’en Werth transportiert – für musikalische Weinproben. Bis ihm 2017 die Behörden den Bootstransport der Gäste zu gewerblichen Zwecken verboten hätten. Lergenmüller bietet noch Weinproben auf der Mariannenaue an – ohne Klavier.

© dpa-infocom, dpa:220809-99-327193/2



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